Dienstag, 31. August 2010

Angekommen

Ramadan. Monat der Ruhe. Monat der Kraft. Monat der Macht. Monat der Vergebung. Monat der Enthaltsamkeit. Monat des Findens. Monat der Barmherzigkeit. Monat der Reihen. Monat der Gebete. Monat der Gemeinschaft.

Mein Monat. Dein Monat.
Oft vergeht er. Tag um Tag, Stunde um Stunde, Minute um Minute. Nichts gehört, nichts gesehen, nichts gefühlt. Nichts als Hunger, nichts als Durst. Nichts als…Leere?
Was fehlt? Es ist…Allah. Er füllt all das. Wenn du willst. Deinen Körper. Deine Seele. Deinen Geist. Dann ist nichts da…außer Er. Erfüllend. Erfüllt. Geschlossen die Augen, gesenkt der Kopf. Auf deiner Zunge liegen Worte. So schön sind sie wie das Licht, wenn es dunkel wird. So klar. So hell. Du flüsterst sie mit. Voller Ehrfurcht. Voller Liebe. Nur du. Und Er. Im Gebet dieser Nacht. Ruhe überkommt dich, eine tiefe, allumfassende. Du bist mit Ihm allein. Und dann: Deine Stirn berührt den Boden. So nah bist Du. So nah. Vergessen der Hunger, der Durst, die Sorge, die Last, die Trauer, die Menge. Vergessen all das. Du bist hier. Angekommen im Ramadan.

Sonntag, 29. August 2010

Eine Ramadan-Rundreise durch Berlin

Mehr als die Hälfte des Ramadan ist vorbei. Ich habe langsam das Gefühl diese wertvolle Zeit rennt förmlich davon, ohne dass ich sie so nutze wie es ihr gebührt. Deshalb muss die Uni-Hausarbeit nun wirklich mal fertig werden, sodass die letzten zehn Tage - die wertvollsten des Ramadan - intensiver genutzt werden können. Segensreich war der Ramadan bis jetzt auf alle Fälle. Nour und ich haben tatsächlich fast jeden Abend das Iftar-Essen und das Tarawieh-Gebet an einem anderen Ort verbracht. Und so sah unsere Route aus:

1. Tag: Sehitlik Moschee
--> Wir verschaffen uns das Recht die Tarawieh-Gymnastik auf der Tribüne im Hauptraum und nicht im "Frauenkeller" zu beten - bei dieser Moschee ein toller Anblick!

2. Tag: Bei uns zu Hause
--> wir haben zwei ausländische Doktorandinnen aus der Türkei und Algerien eingeladen, die wir zuvor in der Sehitlik-Moschee getroffen haben

3. Tag: Deutschsprachiger Muslimkreis Berlin
--> eine besonders herzliche Atmosphäre mit Muslimen, deren Ursprung in aller Welt liegt

4. Tag: Sufi-Zikr bei einer Schwester zu Hause
--> Nahrung für den Körper (sehr lecker) und die Seele (wohltuend)

5. Tag: Indonesische Moschee
--> Wir werden sehr herzlich empfangen und aufgenommen und fühlen uns gleich pudelwohl. Ich versuche meine dürftigen Sprachkenntnisse zu nutzen und lerne meine zukünftige Tandempartnerin kennen.

6. Tag: Pakistanisches Restaurant Zam-Zam
--> Spontane Aktion - wie immer lecker! Eine französische Erasmus-Studentin begleitet uns, die Nour zuvor zufällig auf der Straße aufgegabelt hat, als die Französin sie fragte, wann die Iftar-Zeit war. Wir verbringen köstliche Stunden miteinander.

7. Tag: Dar-us-Salam
--> Laute Kinder, fleischiges Essen. Uns schmeckt es! Und weil unsere liebe Französin wieder dabei ist, machen wir einen kleinen Verdauungsspaziergang zur schönen Sehitlik-Moschee


Danach teilten sich für ein paar Tage unsere Wege, und meiner ging so weiter:

8. Tag: zu Hause bei meiner Familie in der Nähe von Bielefeld
--> Mama und ich kochen was das Zeug hält. Nur: wir wussten nicht, dass unsere Gäste so wenig essen...es bleibt Essen übrig. Stapelweise.


9. Tag: bei der Familie meiner Mitbewohnerin Fatima in Bielefeld
--> Wir bringen unser Essen von gestern mit, was zusammen mit dem Mahl unserer Gastgeber eine riesige köstliche Tafel hervorzaubert. Fatima fliegt am nächsten Tag nach Amerika und ist ganz aufgeregt. Ich leiste ihr die Nacht über Beistand.

10. Tag: bei Zahra zu Hause in Hannover 
--> Zahra hat leckere Pfannkuchen gemacht. Ochringas nennen sie die Berber, angeblich spanisch (sagt Schihas ;-)). Wir beten und Essen im Garten, ein tolles Gefühl.


11. Tag: Pakistanische Moschee in Hannover
--> Das Essen ist knapp, aber es reicht. Wir bleiben die Nacht über auf, Sanaa hat sich für die Gruppe ein spirituelles Qiyam-Programm überlegt. Wir alle sollen ein Gedicht oder Bittgebet über unseren persönlichen Ramadan schreiben. Als sie in der Runde vorgelesen werden, kommt Gänsehautstimmung auf.



12. Tag: bei meinem Onkel in Hamburg
--> Mein Onkel Ahmed kann super kochen! Und mein Cousin Dean könnte ich gleich mit verdrücken, so süß ist er.


Und jetzt geht es wieder mit Nour weiter - ich bin zurück in Berlin

13. Tag: bei Philine zu Hause
--> Ich beobachte, wie aus einem Schreibtisch ein leckeres Buffet werden kann. Nours Lasagne ist toll. Philines Kaffee auch. Und die Mädels sowieso.

14. Tag: Dar-us-Salam
--> ein inniges Gebet!

15. Tag: bei Meryem zu Hause
--> Lecker Tortellini mit Lachssauce! Dazu ein sehr schönes Haus und eine heimelige Atmosphäre. Meryems Schwester ist aus Kolumbien zu Besuch. Als wir beten wollen, zieht sie sich ein Kopftuch an und betet einfach mal mit, um zu schauen wie es ist. Sie hat etwas im Herzen gespürt, sagt sie hinterher.


16. Tag: bei uns zu Hause
--> Leicht versalzene Lasagne und Muffins vom Vortag und ganz liebe Schwestern dazu

17. Tag: Indonesische Botschaft
--> Super (scharfes) Essen, Indonesier, die mich herzlich aufnehmen und ein kleiner Vortrag über die Bedeutung der Sure Al-Fatiha (wird mir zum Glück übersetzt). Sehr interessant!

18. Tag: Bosnische Moschee
--> Jugendiftar! Auch eine coole Idee.

19. Tag: bei uns zu Hause
--> Nour ist kalt. Wir bleiben zu Hause und machen uns ein gemütliches Iftar mit Kerzenschein und Kaffee.

20. Tag: bei uns zu Hause
--> Eine gute Freundin ist zu Besuch. Tiefe Diskussionen, innige Gespräche bis in die Nacht hinein folgen daraus.

21. Tag: bei Steffi
--> Steffi ist zweifelsohne eine tolle Köchin! Zartes und gleichzeitig gut gewürztes Gemüse mit Hühnchenfleisch auf einem großen Tablett, von dem wir alle zusammen dippen. Wir sind begeistert! Dazu die Geschichte einer konvertierten Schwester...herzerfrischend! Ach ja...und mein Käsekuchen aus dem Gasherd, dessen heiße Flamme alles verbrennen lässt :-/.

22. Tag: bei Gülcin
--> altvertraute Mädelsrunde mit altbewährter Vorstellungsrunde. Wir sind kurz vorm Platzen nach dem leckeren Essen, das Gülcin und ihre Mutter hervorgezaubert haben. Asiatische Nudeln, türkische Dolma, köstlicher Reis und jede Menge Kuchen. Ja...auch mein Zupfkuchen ist - wie könnte es anders sein - ein bisschen verbrannt. Aber jetzt hab ich es raus - Blech einfach ganz oben reinschieben! :-)

23.-25. Tag: Tage und Nächte in der Moschee

...Fortsetzung folgt.

Ich muss sagen, solche Rundbesuche sind eine tolle Erfahrung! Immer wieder haben wir sehr liebe Geschwister aus aller Welt kennengelernt, die uns manchmal ein Stück des Weges begleitet haben, mit denen man Kontaktdaten austauscht, die inspirieren, dazulernen lassen, bereichern. Ich fühle mich plötzlich den Muslimen dieser Welt so verbunden, spüre ein tiefes, zufriedenes Umma-Gefühl bei so viel Herzlichkeit und Freundlichkeit. In dieser Sache wünsche ich mir, dass das ganze Jahr über Ramadan ist, dieses Gefühl in den Herzen bewahrt bleibt.

Samstag, 28. August 2010

Muhammad

Jeden Buchstaben, den ich lese, du sagtest ihn,
jede Bewegung im Gebet, du machtest sie,
jede Begrüßung die wir sagen, du hast damit angefangen.
Jede gute Tat, die wir machen, du hast mehr getan,
jedes gute Wort, dass wir sagen, du hast mehr gesagt,
jedes schlechte Wort, dass wir sagen, du hast wohl keins gesagt,
jede schlechte Tat, die wir machen, du hast keine getan.
So oft wie wir vergessen, du hast nicht vergessen,
so oft, wie wir nichts tun, du hattest so viel zu tun,
so oft, wie wir unsere Zeit vergeuden, du hast keine Sekunde vertan,
so oft, wie wir nicht an IHN denken, du hast es immer getan.
Alles hast du gemacht, um uns zu retten,
Alles hast du verkündet, um uns zu helfen,
Alles hast du getan, damit wir wissen, was richtig ist,
Alles hast du geopfert, damit wir es hier und dort am besten haben.
Und was machen wir?
Wie oft vergessen wir?
Wie oft tun wir was dafür?
Und trotzdem wirst du am Jüngsten Tag deine Hände heben und für uns bitten.

Montag, 16. August 2010

Jedes Jahr aufs Neue: Ramadan-Feeling

Gedanken zum Ramadan von Tasnim

Ramadan. Ein Monat ist angebrochen, der für manche manchmal nichts weiter darstellt als Hunger. Sie sehnen sich nach einem Ham- oder Cheeseburger, bleiben bei jeder McDonalds-Plakat-Werbung stehen, schauen jedem wassertrinkenden Fußgänger lechzend hinterher und können den Abend kaum mehr erwarten oder entwickeln Krankheitsgefühle bei dem Gedanken an den nächsten Ramadantag.

Zugegeben – es geht wohl jedem fastenden Muslim ab und zu in seinem Leben genau so. Ist ja auch nicht einfach, das Ganze, aber…irgendwie geht’s. Gut sogar. Es gibt ja auch noch andere Gefühle, wenn man an das Wort „Ramadan“ denkt. So ein Gefühl von: ich freu mich! Zum Freuen sind bekanntlich elf Monate lang Zeit. Erst kommt – unmittelbar nach Ramadan – ein wehleidiges Zurückblicken auf den vergangenen Monat. Wie schön er doch trotz seiner Anstrengung war! Dann wird sehnsüchtig vorwärts geschaut. Wann ist es endlich wieder soweit? Jaja, die gute, alte Vorfreude.

Und dann steht er plötzlich, ganz überraschend, auch schon wieder vor der Tür. Überrumpelt einen förmlich. Hat sich einfach herangeschlichen, ohne dass man es gemerkt hat. Huch, schon wieder Ramadan?! Du bist der Monat, dem ich schon die ganze Zeit entgegengeblickt habe. Na so was aber auch! Also gut, dann freu ich mich jetzt. Jetzt gerade bin ich mittendrin im Freuen. Der Ramadan des Jahres 1431 – islamischer Zeitrechnung - nach der Hidschra hat nämlich gerade angefangen. Die Sonne knallt auf den Kopf, die Schwüle drückt ziemlich, die Menschen schlecken Eis, konsumieren Alkoholisches, sitzen bis in die Puppen im Garten oder schwimmen im See.  Es ist Sommer, und ich faste. Mit all meinen Sinnen, jawohl! Na gut, ein bisschen durstig und müde bin ich gegen Abend, kurz bevor die Sonne untergeht und das Fastenbrechen naht, und in meinem Bauch grummelt’s auch. Aber was wäre ein Ramadan ohne Herausforderungen? Diese Eis schleckenden, sich sonnenden, schwimmenden, sitzenden Leute verpassen etwas – ich beneide sie nicht um das, was sie tun. Ich enthalte mich gern von all dem, jetzt, da ich begriffen habe, dass dieser Monat Ramadan ein Monat der Chancen ist.

Hunger und Durst hin oder her – mein Magen ist leer, aber mein Kopf ist klar. Konzentration ist gefragt. Nämlich auf das Wesentliche. Jetzt habe ich die Chance bekommen mich zu verbessern. Körper, Geist und Seele von Schlechtem zu reinigen. Mein Leben neu zu ordnen, alte Lasten (und Laster) abzulegen. Meine Sinne um den Einen – Gott – kreisen zu lassen und ein wenig von dieser Welt abzurücken, um in mich zu gehen. Nachzusinnen, neue Kraft in Enthaltung zu sammeln. Ein Monat, in der sich diese Chancen gleich einer Lupe vergrößern und sich all die alltäglichen Sorgen und Nöte verkleinern. Ich will sie nutzen!

„Hach, wie wunderbar weltlich der Ramadan doch sein kann.“

Manchmal ist dies nicht so einfach. Meine Freundin kommt um 11h verschlafen in meiner Zimmer. Sie fastet. „Ich fühle mich gerade wie nach einer durchzechten Nacht“, sagt sie und entschwindet zur Arbeit. Ich schmunzle. Wie nah Konsum und die Enthaltung davon beieinander liegen können. Ich mache mir Gedanken darüber, was ich heute Abend koche. Lasagne oder doch Brokkoli-Auflauf? Ich kreise ums Essen. Und in der Uni merke ich plötzlich erstaunt, wie ich die Leute beim Essen oder Trinken beobachte. „Ach, das ist also doch kein Muslim, wie ich dachte. Der fastet ja gar nicht“, schießt es mir durch den Kopf. Erschrocken rufe ich mich zur Vernunft. Was geht’s mich an, was der macht?  In der türkischen Moschee lachen wir ziemlich gemein über die vielen türkischen ü’s im arabischen Gebet. „Ich habe Muskelkater vom Gebet bekommen“, stöhnt eine Bekannte, die wir beim gemeinsamen Fastenbrechen kennengelernt haben, ob der hohen Geschwindigkeit des etwas längeren freiwilligen Gebets im Ramadan – hach, wie wunderbar weltlich der Ramadan doch sein kann.

Ja, auch das gehört zum „Ramadan-Feeling“. Aber dann schließe ich die Tür, lasse die Welt dahinter zurück. Ich lese im Koran, lasse mir die arabischen Worte voller Poesie auf der Zunge zergehen, versuche zu verstehen, beuge mich nieder im Gebet, mit der Stirn auf dem Boden, und spreche mit Gott. Verweile, die Hände leicht zusammengelegt und gebeugt, und bitte ihn, um was ich ihn bitten möchte. Mache eine Abrechnung mit mir selbst, nehme mir Dinge vor.

Man lädt ein und wird eingeladen, man teilt Dattel und Gebetsteppich miteinander, tauscht Worte und Lächeln aus, übt sich in Geduld, Sanftmut und Brüderlichkeit. Es menschelt. Morgens, wenn alle Welt schläft, stehe ich zum Morgengebet auf, und mit mir andere, die die Chance nutzen wollen. Verschlafen sind sie, übermüdet, hungrig, aber doch voll eingetaucht in den Ramadan, den Monat der Monate, in seine enthaltsamen und weltlichen Seiten. Ich weiß bereits jetzt, dass er schnell vergehen wird, wie das Schönste eben nun mal schnell vergeht. Ich werde ihn garantiert vermissen, den Ramadan. 
Ramadan
Er hat angefangen
Die Chance deines Lebens
Pack sie an

Mit Gebeten und dem Quran
Erreichst du ALLAH
Streng dich an,
es wird klappen, inshaALLAH!

Ist dein Herz bereit,
dann sind wir schon zu zweit
Mach den Magen leer
Das ist nicht schwer

Ohne trinken, ohne Essen
Und nicht zu vergessen
Brave Augen, frommer Mund
Um die Seele, um die geht’s, wir machen sie gesund!

Es ist ja für ALLAH
Bei ihm lohnt es sich ja,
Fass dir ein Herz und den Quran
Wir packen es an!